Verblendungen im Sauerland. Der kann von Glück sagen: Billy Corgans neue Band "Zwan"
Einer Stimme, die den Hörer einmal bis ins Innerste berührte, kann man alles nachsehen. Daher halten sich so viele Musiker selbst dann auf den oberen Rängen der Publikumsgunst, wenn Ihnen rein gar nichts mehr einfällt - die Beispiele reichen von Van Morrison über Peter Gabriel bis hin zu "Oasis". Wer einmal "Live Forever" sang, der soll nie ganz verstummen. Von Zeit zu Zeit hört man die Alten gern, das gilt selbst für Phil Collins, der sich mit "In The Air Tonight" für alle Zeiten das Recht auf Ätherverschmutzung erworben hat.Billy Corgan ist auch so ein Fall. In den frühen neunziger Jahren war seine Band "Smashing Pumpkins", eine Art anthropsophische Variante der innerlich unausgeglichenen "Nirvana" um Kurt Cobain und lieferte eine Variante des Grunge-Rock ab, in der trügerische melodische Oberflächen durch vulkanische Gitarrenausbrüche erschüttert wurden. Der Anfang von "Bullet With Butterfly Wings" nahm geradezu den Charakter einer Zauberformel an, die alternative Rocker aus fußkranker Apathie jäh in kopfschüttelnde Anteilnahme versetzen konnte: "The World Is A Vampire".Inzwischen sind die "Smashing Pumpkins" aufgelöst, samt der üblichen Resteverwertung eines "Greatest Hist"- und B-Seiten-Albums (F.A.Z. vom 11. Januar 2002), und die Welt hat sich am Leben sattgetrunken: "Desire Fades Away" singt Billy Corgan jetzt auf dem Debütalbum seiner neuen fünköpfigen Band "Zwan", bei der sich mit Schlagzeuger Jimmy Chamberlin immerhin noch ein weiterer Kürbiskopf dabei ist. Mit den "Pumpkins" war Corgan zuletzt in die Aporie geraten, die äußere Hülle einer aggressiven Rockband auch nach dem Verlust der Reibungsflächen zwischen Ich und Welt aufrechtzuerhalten. Mit "Zwan" versucht Corgan nun ausdrücklich die Synthese zwischen Glücksgefühl und Triebabfuhr, von Ruhekissen und Rockmusik. Doch diese hatte sich etwas dabei gedacht, als sie sich aus dem Blues und nicht aus dem rheinischen Karnevalsschlager entwickelte. Ebenso wie ein glückliches Eheleben keinen Stoff für einen Roman abgibt, so sind Zufriedenheit und Wohlbehagen höchstens bei penetrant dauerlächelnden Charisma-Combos in der Fußgängerzone ein passendes Thema.Dabei fängt das Album stark an. Der zweite Song "Settle Down" und danach das fast mitreißende "Declarations of Faith" können ihren beschwörenden Charakter in gitarrengetriebene Energie umsetzen. Zwar ist auch hier von ewig währender Liebe und tiefem Glauben die Rede, doch lassen sich solche Herzensergießungen auch als Darstellungen von Obsessionen verstehen, von verzweifelten Versuchen, die Kälte einer gottlosen Welt mit der Flamme eines trotzigen Willens zu erwärmen - wie auch überhaupt die Texte nicht das ästhetische Problem sind, sondern es höchstens reflektieren. Aber spätestens nach der Hälfte legt sich die Langeweile ausgedehnter Paarurlaube ins Sauerkand über den Hörer, den allein die Stimme Corgans - und das ein oder andere Gitarrensolo - immer noch wie eine Verheißung weiterträgt, am Ende müsse doch der Verblendungszusammenhang mit einem Schrei auseinandergerissen werden.Doch es geschieht nicht. Es folgen noch ein, zwei passable Songs (wie "Yeah"), doch es bleibt gerade das aus, was Corgans Gesang in allen Häutungen unverwechselbar machte: der Registerwechsel zwischen Melancholie und Wut innerhalb einer Phrase, eines Worts. Bei "Zwan" kreist alles in einem perpetuum mobile von Liebe, Glück und eitel Sonnenschein. Das ist nicht einmal für die Dauer einer Platte zum Aushalten. Aber für solche Einwände hätte Billy Corgan nur ein mildes Lächeln übrig.